The Active Amputee Frühlings-Sonderausgabe - Elternschaft nach Amputation - Teil III

"Mein Mann Dave wollte zwei oder drei Kinder haben, und ich sollte die Mutter sein" (Bild mit freundlicher Genehmigung von Linda Olson).
"Mein Mann Dave wollte zwei oder drei Kinder haben, und ich sollte die Mutter sein" (Bild mit freundlicher Genehmigung von Linda Olson).

Ob Baby...wir werden Kinder haben!

"Oh nein, das kann doch nicht wahr sein!" Ich habe mir den positiven Heimschwangerschaftstest noch einmal angesehen. "Komm schon, lass die Farbe noch ein bisschen mehr wechseln." Ich saß eine Weile still und wartete. Eine Schwangerschaft stand im Moment nicht auf meiner Liste der Dinge, die ich tun wollte. 

 

Neun Monate zuvor hatte ich bei einem Unfall zwischen einem Zug und einem Auto beide Beine oberhalb des Knies und meinen rechten Arm knapp unterhalb der Schulter verloren. Ich hatte gelernt, mit Prothesen und einem Vierfachstock zu gehen, und plante, zurück nach Los Angeles zu ziehen, wo ich allein leben und die letzten neun Monate meiner Facharztausbildung in der Radiologie zu Ende bringen würde. Mein stolpernder Spielzeugsoldaten-Gang war laut und sah zwar komisch aus, aber er brachte mich ans Ziel. Und es wurde immer einfacher, Dinge mit einer Hand zu tun.

 

Das Timing scheint nie richtig zu sein

Als wir dachten, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, erzählte ich meinen Eltern, dass wir eine Überraschung für sie hätten. Stellt euch meine Verwirrung vor, als meiner Mutter die Kinnlade herunterfiel und sie sagte: "Du kannst nicht schwanger sein! Wie willst du dich denn um ein Baby kümmern?"

 

"Nun, wir haben viel darüber nachgedacht und glauben, dass wir es schaffen können." Es herrschte ein langes Schweigen. Und dann kam die Wahrheit ans Licht.

 

"Was willst du tun, wenn Dave dich irgendwann verlässt? Du kannst dich nicht allein um ein Kind kümmern." 

 

Zum Glück war Dave begeistert. Er hatte sich immer zwei oder drei Kinder gewünscht, und ich sollte die Mutter sein.

 

Da ich jung (30 Jahre alt) und gesund war, wusste ich, dass die Physiologie der Schwangerschaft für mich die gleiche sein würde wie für jede andere gesunde Frau in meinem Alter. Die Herausforderungen würden mechanischer Natur sein - das Gehen mit beidseitigen Oberschenkelprothesen während der Anpassung an eine allmähliche Gewichtszunahme und dann die Wehen und die Geburt ohne Knie, Knöchel und Füße, die beim Pressen helfen.

 

Ich rieb mir meinen flachen Bauch - er war einer der wenigen normal aussehenden Teile von mir, und ich wollte ihn nicht verlieren. Ich stellte mir den basketballgroßen Bauch vor, den ich mit mir herumtragen würde. Oder würde er mich tragen? Sobald das Baby geboren war, würde ich herausfinden, wie ich es mit einer Hand versorgen konnte. Für mich war das Problem der mangelnden Mobilität, weil ich keine Beine hatte, nicht mit dem Problem verbunden, dass ich nur eine Hand hatte. Das sind zwei sehr unterschiedliche Behinderungen und Herausforderungen.

 

 

Prothetische Überlegungen

Die Schwangerschaft trat genau zu dem Zeitpunkt ein, als mein Orthopädietechniker sich anschickte, meine permanentenVakuum-Schäfte anzufertigen, die ich unbedingt haben wollte, um die dicken, hässlichen Bänder loszuwerden, die sich um mein Becken schlangen. Nachdem er mir erklärt hatte, dass ich viele Weichteilveränderungen haben würde, überzeugte er mich, die provisorischen Schäfte weiter zu tragen. Ich trug sie schließlich fast zwei Jahre lang, bis ich entbunden hatte und meine Gewichtszunahme während der Schwangerschaft wieder abnahm. Die Tatsache, dass ich meine Beine ausließ und einen Rollstuhl benutzte, wenn ich zu Hause war, trug dazu bei, einen Hautabbau zu verhindern, während ich meine Stümpfe abends und frühmorgens in ACE-Wickel oder Jobst-Strümpfe wickelte, um die Ausdehnung der Weichteile zu minimieren. Es war ein schwieriger Tanz.

 

 

Achte auf dein Gewicht

Das Gewicht war der wichtigste Faktor, den ich kontrollieren musste. Meine Reha nach dem Unfall war sehr intensiv, und da ich gesund und körperlich in guter Verfassung war, konnte ich bereits vier Monate nach dem Unfall eine Meile mit meinen Prothesen laufen. Es dauerte nicht lange, bis ich feststellte, dass salzige Speisen, Desserts oder einfach nur Essen, um sich gut zu fühlen, schnell zu schmerzhaften Striemen und Blasen auf meiner Haut führten, wenn meine Prothesen zu eng wurden. Mein Mann erinnerte mich daran, dass Bier, Wein und Cocktails ebenfalls viele Kalorien enthalten - 75 % mehr in Alkohol als in Kohlenhydraten oder Proteinen. Mensch muss nicht kauen, um zuzunehmen. 

 

Ich vermute, dass die meisten Amputierten mit Ernährungsproblemen zu kämpfen haben. Eine Schwangerschaft verschlimmert diese Probleme noch, daher ist es wirklich wichtig, dass du versuchst, dein Idealgewicht zu erreichen, bevor du schwanger wirst. Wenn du normalgewichtig bist, solltest du während der Schwangerschaft zwischen 11 und 16 Kilogramm zunehmen; wenn du untergewichtig bist, solltest du versuchen, 12 bis 18 Kilogramm zuzunehmen. Übergewichtige Frauen müssen möglicherweise nur 7-11 Kilogramm zunehmen. 

 

Als das Baby wuchs, wurde meine Lordose (die normale Krümmung des unteren Rückens) viel ausgeprägter. Von der Seite sah ich aus wie ein großes fettes "C". Durch das Sitzen wurde mein Rücken etwas entlastet, und da ich beidseitig Oberschenkelamputierte viermal mehr Energie zum Gehen benötigt als eine Person mit normalen Beinen, konnte ich mich trotzdem ausreichend bewegen. Das Gute daran war, dass ich durch die allmähliche Gewichtszunahme und das tägliche Gehen merklich stärker wurde. 

 

Bis zwei Wochen vor meinem Geburtstermin konnte ich ganztags arbeiten und allein leben. Dann ging ich in Mutterschaftsurlaub und zog wieder zu Dave nach Hause. In den letzten Wochen fühlte ich mich wie ein Wasserball, wenn ich versuchte, mich nachts im Bett umzudrehen. Schließlich kam ich an den Punkt, an dem ich Dave sagte, er solle mir einfach einen Schubs geben, und wir kicherten, während sich mein Bauch mit mir dahinter umdrehte. Es half mir zu wissen, dass er mich für das Schönste hielt, was er je gesehen hatte. Wie verrückt war das denn!

 

 

Wehen und Geburt

Ein Baby zu zeugen war einfach. Es herauszubekommen, war eine Herausforderung. Im Jahr 1981 konnten wir nicht im Internet nach YouTube-Videos suchen, die zeigten, „wie mensch ein Baby zur Welt bringt, wenn die Mutter keine Beine hat“. Obwohl ich vorhatte, im Naval Regional Medical Center in San Diego zu entbinden (mein Mann war dort Arzt im aktiven Dienst bei der Navy), wo jedes Jahr Tausende von Babys entbunden werden, hatte mensch dort noch nie eine dreifach amputierte werdende Mutter gesehen. Die brennende Frage war, ob ich mit meinen Beinprothesen entbinden oder sie doch vorher abnehmen sollte. Mit nur einem halben Oberschenkel auf jeder Seite war es schwierig, einen Hebel zum Pressen zu finden. Aber ebenso schwierig war es, herauszufinden, wie frau mit zwei Prothesen pressen sollte.

 

"Hey, sagen Sie der Dame, sie soll die Stiefel ausziehen", schrie die Oberschwester, als ich Daves Arm festhielt und den Flur der Entbindungsstation hinunterstapfte. Im Marinekrankenhaus geht mensch nicht in den Entbindungsraum, sondern auf das Entbindungsdeck, so als wäre mensch auf einem Schiff. Ich tat so, als könnten wir es nicht hören, grinste Dave an und sagte: "Warte, bis sie sieht, was wirklich passiert." 

 

Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass es von Vorteil ist, echte Knie zu haben, die sich beugen, und Fersen, die in die Steigbügel passen, damit frau effektiv pressen kann. Die Krankenschwestern drapierten meine Prothesen oben auf den Sockeln, damit wir keine Probleme mit Verschmutzungen bekamen, und dann stellten wir uns auf den Rhythmus der frühen Wehen ein. Meine Beinprothesen sahen zwar gut aus, konnten aber keine Kraft übertragen, wenn die Knie in der Position waren, in der ich mich auf die Geburt vorbereitete.  Am Ende umarmte der Gynäkologe das eine Knie und mein Mann das andere. Bei jedem Pressen lehnten sie eine Schulter gegen das ihnen zugewiesene Knie und drückten in meine Richtung, während ich meinen Oberschenkel hielt, mich nach oben lehnte und in ihre Richtung drückte. Ich garantiere dir, dass es eine der kürzesten Wehen überhaupt waren, denn die beiden Männer mussten jedes Mal pressen, wenn ich es tat. 

 

 

Ein zweites Mal

Drei Jahre nach der Geburt unserer Tochter war ich erneut schwanger. Dieses Mal schien der gesamte Prozess einfacher zu sein, weil wir ihn schon einmal durchgemacht hatten. Außerdem schien es dieses Mal viel mehr Humor zu geben. Ich war im dritten Trimester, als Michelle, unsere Haushälterin, sich auf den Boden setzte, um mir beim Anziehen der Beine zu helfen. Das war noch zu der Zeit, als ich jemanden brauchte, der mir die Anziehtüten aus den Schäften zieht und dann die Ventile zuschraubt. 

 

 "Wow, Linda", sagte sie. "Deine Knöchel schwellen schon an." 

 

 "Verzeihung", sagte ich und dachte, ich hätte mich verhört.

 

 "Ich kann endlich feststellen, dass du schwanger bist, weil deine Knöchel geschwollen sind."

 

Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, platzte ich einfach heraus: "Michelle... was machen wir hier? Ziehen wir nicht meine Beinprothese an?" Ihr Gesicht wurde knallrot und wir lachten beide, bis wir weinten.  

 

An dem Tag, an dem mein Sohn geboren wurde, kam ich um 18 Uhr von der Arbeit nach Hause. Fünfzehn Minuten später sagte ich zu Dave, dass wir zurück ins Krankenhaus fahren sollten, wo unser Sohn drei Stunden später geboren wurde. Meine schönste Erinnerung ist der Anblick von Dave, wie er das Krankenhaus verlässt und meine Beine über seine Schultern legt. Mit meiner hochgezogenen Jeans sah es so aus, als würde er einen halben Menschen mit nach Hause nehmen.

 

Nach dem Unfall war es schwer vorstellbar, dass das Leben für uns jemals wieder normal werden würde. Eine Schwangerschaft schien aus vielen Gründen nicht in Frage zu kommen. Aber rückblickend weiß ich: Schwanger zu werden und Kinder zu bekommen war das Beste, was wir tun konnten, um wieder ganz zu werden und ein normales Leben zu führen.

 

 

denk dran

  • Sprich vor oder zu Beginn deiner Schwangerschaft mit deinem/deiner Gynäkologen/Gynäkologin und deinem/deiner Orthopädietechniker/Orthopädietechnikerin
  • Versuche, dein Gewicht vor der Schwangerschaft auf ein wünschenswertes Niveau zu bringen
  • Halte dich an die von deinem/deiner Arzt/Ärztin für Geburtshilfe empfohlene Gewichtszunahme. Zähle jeden Tag Kalorien, wenn es nötig ist
  • Wickle deinen Stumpf beziehungsweise deine Stümpfe ein, wenn du die Prothese/n abgenommen hast, um Schwellungen zu minimieren
  • Bewege dich ausreichend

 

 

Gastbeitrag von Linda K. Olson. Im Alter von neunundzwanzig Jahren verlor Linda Olson beide Beine oberhalb des Knies und ihren rechten Arm bei einem Unfall in Deutschland, bei dem ein Zug gegen ein Auto stieß. Mehr über sie und ihren sehr aktiven Lebensstil erfährst du in Linda's blog.

 

Further Reading

Having kids after an amputation

 

This week it’s all about being an amputee parent. Even without a limb difference, the idea of suddenly being responsible for a child can be daunting. Immense joy is regularly mixed with feelings of fear and being completely overwhelmed. Often even more so if you are an amputee. So throughout the course of this week we hear from four amputees, learning about their thoughts on parenthood. Jasmin, a young women from Germany with an above knee amputation - and a regular contributor to The Active Amputee - kicks-off our Spring Special. read more

Amputee pregnancy

 

Joanna lost her leg in a mountaineering accident. She has what is called a Chopart amputation. That means that she has retained a load- bearing heel bone and heel pad. However, due to a needed shortening her amputation presents as a Symes (which is an amputation through the heel bone). Joanna can walk short distances without a prosthesis. Only a few years after her accident, Joanna is expecting her first child. In this personal article she shares her experience of being pregnant while still getting used to her new life as an amputee. read more

Some assembly required

 

"Monday May 26, 2014. That was the day I truly knew, I was capable of living the life ahead of me-whatever I wanted that to be. It was the day I was fitted with my first prosthetic leg. It was the day I took my first steps on the leg. It was the day I got back into a pool. It was the day I took time to wear make up again. Needless to say, it was a busy day." This is how the amazing story of Monique Murphy began. And what a story it has been ever since. read more